Bevor man bei Gebäuden CO2, Energieverbrauch und die Rückbaubarkeit mitzudenken hatte, waren Immobilien in unseren Köpfen per se nachhaltig. Sie wurden schließlich auch für die nächsten Generationen gebaut. In Zeiten der Energiekrise und des Bewusstseins über die Eigenschaft der Bauindustrie, einer der größten CO2-Emittenten unserer Zeit zu sein, muss das Immobilienerbe unserer Kinder aber endgültig in einem neuen Licht betrachtet werden. Das Gute: Grünere Projekte sind unterm Strich auch günstigere Projekte – wenn man denn so flexibel ist, einige Leistungsschritte in der Entwicklung neu zusammenzusetzten.
Der bereits gängige Weg, Gebäude mit Intelligenz auszustatten, ist nur einer der Schritte in Richtung Nachhaltigkeit. Von den Möglichkeiten des smarten Betriebs wissen wir schon seit geraumer Zeit und Energieeffizienz lässt sich auch im Bestand bis zu einem gewissen Grad nachrüsten. Wirklich nachhaltige Gebäude werden jedoch bereits intelligent geplant. Mittels digitaler Tools lässt sich im Planungsprozess entscheiden, wie nachhaltig ein Bauwerk wird. Kubaturen, Materialitäten, Gebäudetechnik und auch die Begrünung haben großen Einfluss auf den Energiebedarf einer Immobilie. Um einen effizienten Betrieb zu ermöglichen, muss aber nicht zwingend auf lieb gewonnene Designelemente verzichtet werden. Um aber offenen Auges über die verschiedenen gestalterischen Varianten im komplexen Zusammenspiel von Architektur, Materialität und Technik und deren Auswirkungen hinsichtlich des Energiebedarfs entscheiden zu können, müssen eine Vielzahl von Daten gesammelt und miteinander verknüpft, analysiert und verständlich aufbereitet werden.
Im Planungsprozess ist es also wichtig, verschiedene Varianten zu erfassen, die dann nach unterschiedlichen Kriterien bewertet und miteinander verglichen werden – dazu braucht es intelligente Planungswerkzeuge, wie Gebäudesimulationen und digitale Gebäudemodelle. So können beispielsweise die Auswirkungen verschiedener Beschattungssysteme in Kontext zu Fenster- und Balkonflächen sowie Fassadensysteme gesetzt und Bauwerksbegrünung oder auch technischen Maßnahmen zur sommerlichen Kühlung verglichen werden. Da reicht es schlicht nicht, wenn der Bauphysiker eine andere Fassadendämmung vorschlägt – erst durch das digitale Durchspielen verschiedener Varianten können optimale Entscheidungen getroffen werden. Denn spätes Nachrüsten und Änderungen kosten. Auch können mittlerweile neue Betreibermodelle wie zum Beispiel Energiegemeinschaften zum Einsatz kommen, die den gemeinsamen Einkauf, die Produktion und Verteilung selbst erzeugter Energie regeln – eine zukunftsweisende Lösung von Gewerbeimmobilien im Bestand bis hin zum neu errichteten Einfamilienhaus.
Für all diese Planungsentscheidungen braucht es komplexe Analysen, die nur mit digitalen Modellen und vernetzten Tools durchgeführt werden können und einen gut abgestimmten Datenaustausch zwischen den Beteiligten erfordern.
Die integrale Zusammenarbeit in der Planungsphase erlangt nun einen immer höheren Stellenwert. Projektentwickler machen sich im Idealfall ganz zu Beginn bewusst, wieviel einzelne Gestaltungselemente über die Dauer eines Gebäudelebenszyklus kosten werden und wie „grün“ ein Gebäude ist. Das ist in der Regel eine neue Herangehensweise und die Herausforderung ist dabei, sich schon in einer frühen Entwicklungsphase auf technische Details einzulassen.
Die EU-Taxonomie bringt hier ein Regelwerk zur Anwendung, dass die Lebenszyklusanalyse im Sinne von Energie- und Ressourcenschonung zum Zentrum hat. Entwickler und Planer werden demnach verpflichtet, eine Nachweisführung entsprechender Kriterien über den Lebenszyklus zu erstellen. Zur sowieso schon seit Jahren bestehenden Aufgabe eines möglichst geringen Energiebedarfs, werden also noch die Aufgaben der Energieversorgung für Heizen und Kühlen ohne fossile Brennstoffe und der zunehmende Einsatz kreislauffähiger Bauprodukte und Baustoffe ergänzt. Eine enorme Herausforderung.
Aber wohin soll diese Nachhaltigkeitsreise genau gehen? Die Ziele sind klar definiert: Der Ausstieg aus fossilen Brennstoffen und der weitestgehende Einsatz von Sekundärmaterialien.
Die Aufgabe der digitalen Werkzeuge liegt darin, innerhalb dieser komplexen Herausforderung Lösungsmöglichkeiten aufzuzeigen, die sich am Wohle der Natur orientieren, dem Nutzer hohen Komfort bieten und den Beteiligten wirtschaftliche Vorteile bieten. Zukunftsfähiges Bauen ist kein trivialer Prozess. Die Möglichkeiten zur Optimierung und Steigerung der Wertschöpfung in Planen, Bauen und Betreiben mittels Digitalisierung sind freilich noch lange nicht ausgeschöpft. Aber getrieben durch Pandemie, Baupreissteigerungen, EU-Taxonomie und technische Innovationen hat sie enorm an Fahrtwind aufgenommen.
Autor: Steffen Robbi, GF Digital Findet Stadt
Erstveröffentlichung im Immobilien Magazin
Zitat-Blöcke:
Azra Dudakovic von dem auf Building Information Modelling BIM spezialisierten technischen Büro SIDE - Studio for Information Design: „Grüne Planung setzt voraus, über eine Vielzahl von Daten für eine informierte Entscheidungsfindung zu verfügen. Digitale Gebäudedatenmodelle sind dafür die notwendige Informationsquelle, wobei die frühen Planungsphasen, bis inklusive Entwurfs, hier die entscheidenden Rollen spielen. Wir machen für unsere Kunden und Partner die Potentiale des 6D-BIM greifbar, indem wir als Bindeglied zwischen dem Projektentwicklungs- und -abwicklungsteam unterstützen, die Prozesse samt dem Einsatz der richtigen digitalen Tools mitentwickeln und die technische Umsetzung begleiten.“
Martin Moser von energiedigital.at: „Wir erstellen bereits in frühen Planungsphasen Konzepte für Energiegemeinschaften und die dafür optimale Auslegung von Erzeugungsanlagen. Typischerweise ist das Photovoltaik, im Zusammenspiel mit Verbrauchern wie Wärmepumpen oder Warmwasserbereitern. Wir sind überzeugt, dass solche Gemeinschaften zukünftig als fixer Bestandteil von Immobilienprojekten von Interessentinnen und Interessenten aktiv nachgefragt werden – nicht nur wegen der zu erwartenden Auflagen, sondern aufgrund von wirtschaftlichen Vorteilen.“
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